Wer forscht muss damit rechnen, auf Unerwartetes zu stoßen. Das erlebte auch Gesa Krey während ihrer gerade abgeschlossenen Diplomarbeit, die von Dr. Sandra Blois von der Charité und Prof. Dr. Burkhard Micheel von der Universität Potsdam betreut wurde. Die Diplombiochemikerin wollte herausfinden, welche Rolle bestimmte Zellen des Immunsystems, die so genannten Dendritischen Zellen, während einer Schwangerschaft spielen. Bei ihren Untersuchungen stieß sie auf ein Protein, das offenbar von wesentlicher Bedeutung für die Einnistung des Embryos in die Gebärmutter und somit für eine erfolgreiche Schwangerschaft ist.
Von uns meist unbemerkt kämpft das Immunsystem tagtäglich einen Kampf gegen den "Rest der Welt". Deshalb werden wir trotz der großen Anzahl von Krankheitserregern selten richtig krank. Das Abwehrsystem kann Krankheitserreger jedoch nur effektiv bekämpfen, weil es gelernt hat, zwischen Köpereigenem und Fremdem und damit potentiell Gefährlichem zu unterscheiden. Auch ein Embryo ist für den mütterlichen Organismus zur Hälfte fremd. Dass trotzdem Kinder geboren werden, verdanken wir der Fähigkeit des Immunsystems, während einer Schwangerschaft "stillzuhalten" und das teilweise Fremde zu tolerieren.
Von den Dendritischen Zellen des Immunsystems ist bekannt, dass sie eine solche Toleranz vermitteln können. Dieser Zelltyp ist darauf spezialisiert, körpereigene Merkmale an anderen Zellen zu erkennen und anderen Immunzellen zu signalisieren, dass sie diese nicht angreifen. "Es liegt also nahe zu vermuten, dass Dendritische Zellen auch für eine Schwangerschaft wichtig sind", erläutert Gesa Krey. "Für diese Hypothese wollte ich während meiner Diplomarbeit Indizien finden."
Der beste Weg um herauszufinden, welche Rolle ein Bestandteil in einem Gesamtgefüge hat, besteht darin, diesen Teil auszuschalten und die Auswirkungen zu beobachten. Die Forschung am Menschen verbietet sich bei dieser Fragestellung selbstverständlich. Für ihre Untersuchungen verwendete die Biochemikerin deshalb gentechnisch veränderte Mäuse, bei denen sich spezifisch die Dendritischen Zellen durch Spritzen eines Zellgifts abtöten lassen. Die Forscherin verabreichte den Mäusen das Gift zu dem Zeitpunkt, an dem sich gewöhnlich der Embryo in der Gebärmutterschleimhaut verankert.
Wie sie herausfand, konnten sich zwar auch in den behandelten Mäusen Embryonen einnisten, allerdings rund ein Drittel weniger als in der Vergleichsgruppe mit funktionstüchtigen Dendritischen Zellen. Zudem waren die Embryonen sehr viel kleiner als die der Kontrollgruppe. Bei der Gewebeuntersuchung stellte sich heraus, dass die Plazenta schlechter entwickelt war und insbesondere die den Embryo versorgenden Blutgefäße in geringerer Anzahl vorhanden waren. Auch gab es deutlich weniger der so genannten Natürlichen Killerzellen. Diese Immunzellen können andere Zellen zerstören. Das ist auch bei der Entwicklung der Plazenta wichtig, um im Gewebe Platz für Blutgefäße zu schaffen "Dendritische Zellen locken die Natürlichen Killerzellen an", erläutert Gesa Krey.
Doch es war eine andere Entdeckung, die die junge Forscherin elektrisierte: "In Gebärmutter und Embryonen der "normalen" Mäuse, stieß ich auf ein Protein, dass in den Geweben der Mäuse ohne Dendritische Zellen völlig fehlte. Dieses Eiweiß, Phopshatidylinositol Transferprotein beta, kommt in verschiedenen Körpergeweben vor. Es ist dort Teil einer Signalkaskade, die in Zellen bestimmte Gene "anschaltet". Bisher war aber nicht bekannt, dass es auch bei der Schwangerschaft eine Rolle spielen könnte. Für die Forscher fängt die Arbeit nun erst richtig an. "Es könnte sich herausstellen, dass das Protein sich als Schlüssel zur Funktion der Dendritischen Zellen während der Schwangerschaft erweist", sagt Gesa Krey. "Zudem könnte es zukünftig als Marker dienen, um vor einer künstlichen Befruchtung zu testen, ob die Vorraussetzungen für die Einnistung des Embryos gegeben sind."
(erschienen im Magazin der Universität Potsdam "Portal")